21. März 2012

Fiebernde Scheuklappen

Usedomer Plapperzeitung:
Jetzt geht‘s los!
Vor allem geht es weiter mit der Dauerwerbung und -schönschreiberei über das bevorstehende Geschwätz über die Fußball-EM, das vom Heringsdorfer Strand übertrage werden soll:
Heute starten vorbereitende Arbeiten für die ZDF-Arena an der Heringsdorfer Seebrücke. Die Planungen für Veranstaltungen während der Fußball-EM laufen auf Hochtouren. ...
Oha, nun wird wohl jeder Rammschlag, jeder Handgriff von der Lokalredaktion beschrieben und an Sie verkauft werden.

Dann ein wenig militaristisches Sprachgut, wenn auch in Anführungszeichen:
Auch an anderen „Fronten“ laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren — zumeist noch hinter den Kulissen. ...
So eine Art Mehrfrontenkrieg also? Und der kostet die Gemeinde fast nichts:
Ein wichtiger Punkt sei jedenfalls abgesichert, so Bürgermeister Klaus Kottwittenborg: „Die Gegenfinanzierung für dieses Riesen-Ereignis steht.“ Selbstverständlich würde die Kalkulation nicht ohne Anteil der Gemeinde funktionieren, erklärt das Gemeindeoberhaupt
Ich dachte bisher, die Gemeindevertretung sei das Gemeindeoberhaupt und der Bürgermeister das sog. Oberhaupt der Gemeindeverwaltung. Da habe ich mich wohl getäuscht.
„Deshalb haben wir in den aktuellen Haushalt des Eigenbetriebs 100 000 Euro eingebracht.“ Nach momentanen Berechnungen könnte man am Ende sogar unter diesem Betrag landen, ist Kottwittenborg optimistisch. ...
Wenn es ohne Gemeindeanteil nicht funktionieren würde, hätte die Gemeinde die Finger davon lassen können, denn die 100000 Euro fehlen an anderer Stelle. Niemand fragte, der Autor in seinem Begeisterungstaumel sowieso nicht, an welcher Stelle in diesem Jahr weniger Geld ausgeben werden kann.
Die Gesamtkosten für das „Fußball-Fieber“ würden bei etwa 750 000 Euro liegen — und sollen durch Ticketverkauf, Sponsoring, Catering und Landesförderung aufgefangen werden. ...
Wessen Gesamtkosten, die der Gemeinde/des Eigenbetriebes? Was hat sich die Gemeinde alles aufschwatzen lassen? Und was, wenn das vielbeschworene Fußballfieber (Was ist das?) nicht grassiert? Wer zahlt dann?
Und dann auch noch Landesmittel (in welcher Höhe?) für die Veranstaltung, von der ich und andere Heringsdorfer nichts haben als Staus und volle Geschäfte.

Apropos: Wieso verlangt die Gemeinde nicht eine Zwangsabgabe von den Hoteliers und Gaststättenbetreibern und Krämern, den Nutznießern der Veranstaltung, um den Quark zu finanzieren? Geht nicht, keine rechtliche Handhabe? Aber Steuergeld sechsstellig verpulvern geht so ganz einfach?
Zudem sei der mediale Gegenwert für die Region von etwa einer Million Euro nahezu unbezahlbar, meint Kottwittenborg. ...
Was ist ein medialer Gegenwert, und wer hat den Quatsch ausgerechnet? Wenn damit gemeint sein soll, dass die Insel und speziell die Gemeinde Heringsdorf bekannt werden, warne ich vor diesem Blödsinn, siehe Heiligendamm. Außerdem dürften Insel und Gemeinde im Sendegebiet des ZDF bereits bekannt sein.
Wer, wie der Autor, dem Bürgermeister dieses Gequatsche ohne Nachfrage abnimmt, hat seinen Beruf verfehlt und muss die Leser für völlig ahnungslos halten. Das gilt natürlich auch für den Bürgermeister, der die Einwohner der Gemeinde für beschränkt halten muss.

Dann noch dies:
Die Seebrücke wird zumindest in Blickrichtung Ahlbeck während der gesamten dreieinhalb Wochen frei zugänglich sein. „Wir sperren nur eine Seite ab“, so Golon. „Die Geschäfte, das Restaurant und die Adler-Schiffe sind also weiterhin für Einheimische und Gäste erreichbar.“ Allerdings: Um die „ZDF-Arena“ vor „Kiebitzen“ zu schützen, sollen die verglasten Zwischenwände mit Sichtblenden ausgestattet werden. ...
Dumeinegüte, drei Wochen lang nur die halbe Sicht. Da werden die fußballfieberfreien Touristen aber die Nase voll haben von der Seebrücke.

Wo blieb die Frage, wie denn die Düne vor Zuschauern geschützt werden wird? Denn wer die Düne nördlich der Seebrücke betritt, hat freie Sicht zum Strand.
Aber wem fallen schon solche Fragen ein, wenn er mit riesigen fußballfiebrigen Scheuklappen am Schreibtisch sitzt?

Ein P.S. ganz nebenbei:
Wie werden gehbinderte, fußballfiebrige Zuschauer (z.B. Rollstuhlfahrer) zu den Zuschauerplätzen gelangen?

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