7. März 2009

Journalismus nach Art des Hauses - ein Beispiel

Heute veröffentlicht auch die Greifswalder Zeitung, dass in der Stadt etwa 700 Ein-Euro-Sklaven beschäftigt werden, berichtet ein wenig Unsinn, gibt dem Chef der Beschäftigungsgesellschaft ABS Gelegenheit, sich auf billigste Weise zu rechtfertigen und verpasst erneut die Gelegenheit zu fragen, was aus dem Geld wird, das die Gesellschaft monatlich einnimmt - Journalismus nach Art des Hauses:
Greifswald hat 700 Ein-Euro-Jobber
Schlechte Arbeitsbedingungen brachte dieser Tage Ein-Euro-Jobber auf die Barrikaden.
Wer hat wo Barrikaden errichtet? Oder war es einfach so, dass Ein-Euro-Sklaven ihre Angst überwanden und die Öffentlichkeit über die elenden Arbeitsbedingungen unterrichten wollten?
Übrigens geht es nicht um schlechte, sondern um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen.
Die ABS als Träger der Maßnahmen verspricht den Grün-Trupps jetzt Besserung.
Aha, das "jetzt" heißt, bisher dachte die Gesellschaft nicht einmal daran, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nur weil der Skandal öffentlich wurde, soll etwas verändert werden. Was und wann? Sie erfahren es nicht.
Im Stadtbild tauchen sie überall auf - die Ein-Euro-Jobber, die sich neben Hartz IV mit ihrer gemeinnützigen Tätigkeit ein Taschengeld von rund 120 Euro im Monat hinzuverdienen.
Es ist unerträglich, wie falsch die Autorin berichtet. Sie hat keine Ahnung von den schlichtesten Grundlagen, um über das Thema zu schreiben, eine Missachtung der Betroffenen:

1. Die Ein-Euro-Sklaven verdienen nichts hinzu, weil sie Alg 2 erhalten. Sie verdienen überhaupt nichts.
Mit dem Geld, das sie zusätzlich zum Alg 2 erhalten, werden sie pauschal für den zusätzlichen Aufwand entschädigt, der ihnen durch die Tätigkeit entsteht. Ist der Aufwand höher als die Entschädigung, sollte jeder Ein-Euro-Sklave die Tätigkeit ablehnen, weil sie dann unzumutbar ist.

2. Weil es eine pauschale Entschädigung für Mehraufwendungen ist, ist es kein Taschengeld. Wer das nach vier Jahren angewandtem Hartz 4-Gesetz immer noch behauptet, hat keine Ahnung, worüber er schreibt, oder will seine Leser verdummen.
Die Ein-Euro-Sklaven räumen auf, sorgen für Sauberkeit auf Plätzen und an Straßenrändern, schneiden Hecken und Sträucher, nennt Manfred Bogaczyk, Geschäftsführer der ABS als Träger der Maßnahmen, einige Beispiele.
Das heißt, gäbe es diese Art der Beschäftigung nicht, blieben Straßen und Plätze schmutzig und Hecken und Sträucher würden nicht geschnitten, denn gefördert werden im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten.
Wer sich die Hosen mit der Kneifzange anzieht, nimmt des Geschäftsführers Aussage für bare Münze. Alle anderen fragen sich, wie denn wohl vor Einführung der Ein-Euro-Sklaverei über Jahrzehnte hinweg Straßen und Plätze gereinigt wurden und ob Hecken und Sträucher ungeschnitten blieben?

Los gehts mit der Rechtfertigung:
Besonders an kalten Tagen keine angenehme Arbeit. Da ist der Unmut Betroffener verständlich, die jüngst fehlende Toiletten und Aufwärmstuben öffentlich bemängelten. Bogaczyk, der stark in der Kritik stand, räumt Fehler ein.
Aha, er räumt ein. Die Frage, was ohne die Information der Öffentlichkeit passiert wäre (nämlich nichts) stellte die Autorin nicht.
"Die Leute müssen natürlich eine Möglichkeit haben, ihre Notdurft zu verrichten", äußert er, "wir sind an dem Problem dran, können aber nicht an jeder Ecke einen Bauwagen und ein mobiles WC aufstellen", wirbt Bogaczyk um Verständnis.
Es war bisher völlig normal für den Geschäftsführer, dass seine Sklaven ihre Notdurft zwischen den Gräbern auf dem Alten Friedhof verrichten mussten und dass sie keine Aufwärmgelegenheit hatten. Also wäre es doch die Frage wert gewesen, warum denn nun plötzlich eine Toilette natürlich sei.
Wo ist die Antwort auf die Frage, wer Verständnis dafür haben soll (Doch nicht etwa seine Sklaven?), um das der Mann wirbt?
Deshalb würden nun Gespräche geführt, um beispielsweise die Nutzung vorhandener Toiletten in Einrichtungen zu ermöglichen.
Das ist doch der Beleg dafür, dass ohne das Aufbegehren der Sklaven nichts passiert wäre. Die Autorin griff auch das nicht auf.

Dann berichtet der Geschäftsführer, wie er bis vor Kurzem geltendes Recht brach:
"Früher hatten wir einen großen Pool an Arbeitnehmern und setzten sie an verschiedenen Stellen ein", so Manfred Bogaczyk. Heute würden die Maßnahmen vom Vermittler der Arge betreut, "so dass eine bessere Kontrolle über die Einhaltung der Arbeitsvereinbarung gewährleistet ist", verdeutlicht der ABS-Chef.
Das heißt, die Gesellschaft konnte die Sklaven einsetzen wie sie wollte. Das war von Anbeginn verboten und die Autorin hat davon natürlich keine Ahnung - skandalös.
Hier erfahren Sie, was die OZ verschweigt:

Das Sozialgericht Stralsund in einer Entscheidung zu einem rechtswidrigen Ein-Euro-Job: „Der Erwerbsfähige darf aber gerade nicht einer bestimmten Einrichtung [der ABS] zugewiesen werden, der die Auswahl der konkret zu verrichtenden Arbeit überlassen wird.“
Ziel ist es, die Frauen und Männer wieder für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen, sie zu integrieren, erklärt Manfred Bogaczyk.
Das bezweifle ich zutiefst. Es sind billigste Arbeitskräfte, denn:
"2008 konnten wir mit dessen (Bewerberberatungszentrum) Hilfe 60 Leute in Arbeit bringen", berichtet Bogaczyk
Wie viel Prozent seiner Sklaven sind das? Drei Prozent, sechs Prozent? Die Autorin kommt nicht auf die Frage. Sie fragt auch nicht, wie viele dieser 60 Sklaven sich selbst Arbeit suchten. Auch unterblieb die Frage, für wie lange die 60 Leute Arbeit hatten.
Ansonsten:

Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird bezweifelt, dass 1-€-Jobs generell der schnelleren Vermittlung Langzeitarbeitsloser in eine reguläre Beschäftigung förderlich sind. So wurden in solche Arbeitsgelegenheiten zugewiesene Kräfte im Schnitt sogar später in Arbeit vermittelt, als andere Langzeitarbeitslose. Es wird hierbei von einem Einsperr-Effekt gesprochen, der den ursprünglichen Zielen dieser Beschäftigungen entgegen läuft.

Offen bleibt auch die Antwort auf die Frage, was die ABS mit den Einnahmen in Höhe von monatlich 84000 Euro macht - Journalismus nach Art des Hauses. Und Sie haben dafür bezahlt.

Wenn Sie morgen Ihr Frühstücksbrötchen essen, stellen Sie sich bitte vor, sie stünden draußen (vor ein paar Wochen fror es noch) und müssten es mit dreckigen Händen tun. Anschließend träten sie, um sich zu entleeren, beiseite, um die Mitsklaven nicht zu stören. Wie die Zeit vor dem Frühstück verbrächten Sie auch den Rest des Arbeitstages im Freien.

Trotzdem guten Appetit, denn mit einem Abo wären Sie - auch ohne Tisch - wenigstens top informiert.

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