29. Mai 2006

Was nicht berücksichtigt wurde

Am Arbeitsmarkt wird weiter gespart (Richtig wäre: ... soll gespart werden)
Angesichts ausufernder Kosten für die Hartz IV-Reform wollen Finanzminister Peer Steinbrück und Arbeitsminister Franz Müntefering laut „Spiegel“ die Ausgaben für den Arbeitsmarktstärker als geplant zurückfahren. ...
Nachdem in der OZ bereits von explodierenden Kosten zu lesen war, ufern sie heute aus. Zumindest sollen das die Leser glauben und sie werden es auch tun, wenn sie es oft genug vorgesetzt bekommen. Nur, Beweise für das Ausufern las ich in der OZ nicht. Belege für das Gegenteil finden sich überall.
Stattdessen stand im selben Artikel:

Insgesamt seien die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit sogar gesunken, rechne man Alg I und II zusammen. Die Fraktion berief sich auf Zahlen des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung. ...
Offensichtlich ist der Mantelredaktion dies entgangen:

Armutsforscherin warnt vor weniger ALG II

Die Armutsforscherin Irene Becker hat vor einer Absenkung des Regelsatzes für das Arbeitslosengeld (ALG) II gewarnt: Der gegenwärtige Satz von 345 Euro monatlich sei « die allerunterste normative Grenze», wenn «an bestehende und auch auf EU-Ebene formulierte gesellschaftspolitische Ziele angeknüpft» würde, sagte die Forscherin, deren Arbeiten auch in den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung einfließen, im Interview mit der Netzeitung. Sie hat stattdessen einen Satz von 390 Euro errechnet, der sich anders als die gegenwärtigen Zahlungen nicht am Bedarf einer stark von Armut bedrohten Gruppe orientiert.

Haben die Mantelredakteure dies mitbekommen?

... (BA-Chef) Weise äußerte Unverständnis darüber, dass der Bund mit 26 Milliarden Euro über elf Milliarden Euro mehr für das Arbeitslosengeld II ausgegeben hat als geplant. "Ich höre jedenfalls mit Erstaunen, dass gesagt wird, es nähmen eine Million mehr Menschen Leistungen in Anspruch als geplant", sagte Weise.
"Entweder erhalten also Menschen Leistungen, die ihnen nicht zustehen. Dann muss der Gesetzgeber sagen, wie er diesen Zustand beseitigt", erklärte der BA-Chef. "Oder es wurde fest eingeplant, dass etliche Leistungsberechtigte die Leistung nicht in Anspruch nehmen. Das wäre dann fahrlässig."


Wie findet die Mantelredaktion diesen Kommentar?

Die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 sind absehbar gescheitert. "Die Wichtigste, fundamentalste und komplexeste Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik" (Schröder), eine "Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt" (Clement) hat ihre Ziele verfehlt, an denen sie zu messen ist: nämlich zusätzliche Wachstumsimpulse und mehr Beschäftigung zu erzeugen. Politisches Versagen lässt sich durch Optimierung nicht übertünchen. Vielmehr sollten die verantwortlichen Politiker, die inzwischen als Berater von Energiekonzernen abgetaucht sind, öffentlich Rechenschaft ablegen.
Die große Koalition korrigiert die fehlerhaften Diagnosen und Therapien nicht: Sie macht die Arbeitslosen für nicht vorhandene Arbeitsplätze verantwortlich. Sie vernachlässigt öffentliche und private Investitionen, die nötig sind, um die eingeschnürte Binnennachfrage zu beleben. Der Arbeitsminister bedient die verbreiteten Klischees von "unwürdigen Armen", von "Parasiten", die ein "Recht auf Faulheit" beanspruchen, nicht wirklich bedürftig sind und den Sozialstaat ausbeuten.

Unwichtig ist der Heimatzeitung scheinbar dies:

Gemeinsame Erklärung des Bundesbeauftragten und der Landesbeauftragten für den Datenschutz
... Entgegen den im Sozialrecht geltenden Grundsätzen ist geplant, bei der Frage nach dem Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft eine Beweislastumkehr zulasten der Arbeitsuchenden einzuführen. ... Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Eine solche exzessive Datenerhebung wäre datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar.

Bedenken bestehen auch gegen die geplante Erweiterung der automatisierten Datenabgleiche. ... Es ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, auf diese Weise alle Arbeitsuchenden, die Grundsicherung beanspruchen, unter Generalverdacht zu stellen.

Gleiches gilt für die Schaffung der diversen Auskunftsmöglichkeiten bei anderen Behörden, beispielsweise beim Kraftfahrtbundesamt. Rein präventive Routineauskunftsersuchen sind als unverhältnismäßig abzulehnen. ...

Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf Telefonbefragungen durch private Call Center zur Feststellung von Leistungsmissbrauch. Unabhängig von den rechtlichen Bedenken, diese hoheitliche Aufgabe nichtöffentlichen Stellen zu übertragen, muss die Freiwilligkeit der Teilnahme ausdrücklich klargestellt werden.

Die vorgesehene Verpflichtung der Leistungsträger zur Einrichtung eines Außendienstes für Hausbesuche vermittelt den nicht zutreffenden Eindruck, als würde hierdurch eine Mitwirkungspflicht der Betroffenen begründet. Dass diese Hausbesuche unzweifelhaft wegen des grundgesetzlich geschützten Rechts auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) nur mit vorheriger Zustimmung der Betroffenen möglich sind und die Außendienstmitarbeiter kein Recht zum Betreten haben, ist ausdrücklich zu betonen. ...

Diesen letzten Hinweis gebe ich besonders der Rügener Redaktion.

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